Tobias BOLCH Univ.-Prof. Dr.rer.nat.habil.

Interview zur neu besetzten Fernerkundungsposition
MA: Thomas Lercher, Antonia Constantini, TB: Tobias Bolch, 02/2023

MA: Wie sind die ersten Eindrücke von Graz?
TB: Die Eindrücke von Graz sind sehr positiv, ich war ja vorher 4 Jahre lang in der University of St. Andrews in Schottland. Ein kleines, wunderschönes Städtchen sehr viel Natur und viel Küste. Das ist schon ganz anders in Graz, aber die Menschen sind auch hier warm und herzlich. Außer wenn man morgens in der Bim sitzt, da hat jeder Scheuklappen auf. Die Stadt hat sehr schöne Ecken und ein nettes Umland, ich fühle mich hier sehr wohl.

MA: Wie hat es sich ergeben, dass Sie an die TU Graz gekommen sind?
TB: Ich kenne von meiner Zeit an der TU Dresden einen Professor aus Graz, Manfred Buchroithner, mit dem ich schon sehr lange zusammengearbeitet habe. Über ein langes Projekt entstand ein Kontakt nach Graz zu Viktor Kaufmann, welcher mich auf die offene Stelle hingewiesen und für eine Bewerbung überzeugt hat.

Mir hats zwar in Schottland gut gefallen, aber familiäre Gründe und das dortige Klima haben meinen Entschluss gestärkt, eine neue Stelle anzustreben. Ich habe mich für mehrere Stellen beworben, da ich mir eigentlich keine großen Chancen ausgerechnet habe. Zwar habe ich auch an der Uni Hamburg eine Zusage bekommen, aber mein Herz hat eigentlich immer für Graz geschlagen. Auch, weil ich Süddeutscher bin und die Berge mag.

MA: Was sind Ihre Erwartungen an die TU Graz und welche Aufgaben erfüllen sie?
TB: Ganz klar die Lehre - ich decke sehr gerne die Lehre ab - und zum Teil auch schon Forschung. Ebenso bin ich administrativ eingebunden, das gehört halt dazu. In der Lehre setze ich u.a. die Grundlagen der Fernerkundung fort. Die LVs in diesem Fachbereich gefallen mir insgesamt sehr gut. Es gibt aber immer Dinge, die verbessert und aktualisiert werden können. Da mein Anwendungsschwerpunkt – anders als im Forstbereich von Matthias Schardt – im Hochgebirge bzw. bei Gletscher liegt, werde ich mein angeeignetes Wissen in die Lehre einbringen und den Studierenden vermitteln. Diese sollen die die Fernerkundung und Photogrammetrie in der gesamten Breite anwenden können. Natürlich versuche ich auch, die Studentinnen und Studenten für mein Interessensgebiet zu begeistern.

MA: Worauf legen Sie in der Lehre wert? Was können sich die Studentinnen und Studenten von Ihnen erwarten?
TB: Für mich ist es wichtig, dass die Studentinnen und Studenten wirklich verstehen, was sie machen. Dabei versuche ich, Begeisterung für die Fernerkundung zu schaffen. Ebenso ist es relevant, dass im Studiengang die Fächer untereinander gut vernetzt sind, damit die Studierenden technisch versiert auf die vielseitigen Aufgabenstellungen der Geodäsie eingehen können. Jeder setzt natürlich seine Schwerpunkte, jedoch soll der Studiengang eine gute Einheit der einzelnen Fachbereiche darstellen.

MA: Wie sieht es mit der Forschung aus?
TB: Ich selbst bin ja Geograph und habe als Nebenfach Physik und Informatik studiert. Damals wie heute hat mich diese Verbindung gereizt und die Fernerkundung bringt diese Gebiete hervorragend zusammen. Fernerkundung kann man eigentlich nur wirklich verstehen, wenn man Physik versteht. Dazu kommt die Geografie, also die räumliche Anwendung bzw. das räumliche Denken. Und das Wissen der Informatik kann man im Grunde auch immer brauchen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man zum innovativen Arbeiten in der Lage sein muss, viele Daten zu prozessieren. Das Programmieren ist daher unerlässlich, um die vielfältigen Aufgaben im Forschungsbereich der Fernerkundung lösen zu können.

MA: Welche Forschungsziele haben Sie sich gesteckt?
TB: Ich möchte die Klassifizierung von Oberflächenformen mit dem Schwerpunkt „Hochgebirge“ verbessern bzw. präziser machen und neue Sensoren integrieren. Die Detektion unterschiedlicher Oberflächenformen und die verschiedenen Auflösungen lassen sich möglicherweise gut untersuchen. Dabei ist zu schauen, was sich mit den verschiedenen Sensoren herausholen lässt und welche Prozessketten automatisiert werden können. Das ist unglaublich spannend.

MA: Data Science deckt ja einen großen Bereich ab, in den letzten 20 Jahren haben sich besonders viele Anwendungen entwickelt. Wo steht heute aus Ihrer Sicht die Fernerkundung (als Spezialgebiet der Data Science)?
TB: Einer der entscheidenden Dinge ist die räumliche Anwendung. Vor 20 Jahren hat man halt mit Landsat klassifiziert und das wars dann letztendlich. Man hat schon sehr viel rausgeholt, aber die Fernerkundung hat noch viel mehr Möglichkeiten, z.B. kann man damit nicht nur an der Oberfläche, sondern auch den Untergrund untersuchen. Die Fernerkundung kann als Bindeglied zwischen der Technik und der geografischen Anwendung viel beitragen.

MA: D.h. im Grunde ist es das Ziel, den Umgang mit Daten und Algorithmen zu verbessern und neue Technologien bestmöglich in bestehende Systeme einzugliedern?
TB: Genau. Und dazu brauchen wir am Institut eine Person - da bin ich mit Johannes Scholz einig - welche gut programmieren und die Skripte effizient umsetzen kann. Um eben die großen Datenmengen mit einer guten Performance auch prozessieren zu können.

MA: Das Institut für Geodäsie hat das Potential, sich in unterschiedlichen Richtungen entwickeln zu können. Gerade die jungen bzw. neuen Mitarbeiter können einige Vorhaben mitbringen.
TB: Ja, so jung bin ich nicht mehr, aber ich bin motiviert. Ich glaub, ich bin am Institut sogar der älteste von den Professoren, obwohl ich grad angefangen hab. Meine Entscheidung für Graz hing auch damit zusammen, dass ich die Herausforderung mag. Es tut sich sehr viel und es ist viel zu tun. Da bin ich motiviert und weiß, ich werde es bleiben.

Als Geograph sehe ich, dass der Mensch letztendlich im Mittelpunkt steht. Wir ermitteln Dinge, um das Leben des Menschen zu verbessern. Dazu gehört die Grundlagenforschung und das Entwickeln von Algorithmen, aber auch die Anwendung. In diesem Aspekt fällt z.B. der Bereich Monitoring von Naturgefahren. Oder auch die Veränderung der Gletscher. Da gibt es viele Möglichkeiten, mit den Kollegen zusammen zu arbeiten, neue Modelle zu integrieren und Vorhersagen zu verbessern. Und Graz hat dazu eine hervorragende Basis.

MA: Wenn Sie einem Schüler oder einer Schülerin der Oberstufe eine Erfahrung mitgeben können, welche Sie aus Ihrem Leben oder Ihrer beruflichen Laufbahn gewonnen haben, wie sähe diese aus?
TB: Gehe deinen eigenen Interessen nach. Finde heraus, was dir wichtig ist und sei mutig, sich auf diesen Weg einzulassen. Die Zukunft kann man nicht vorhersagen, aber man kann Entscheidungen für die Zukunft treffen.